Nein zum Abschottungspakt

UPDATE
26.09.2025

Das Parlament hat heute der Schweizer Beteiligung am EU-Asylpakt endgültig zugestimmt.

Die Schweiz übernimmt damit zentrale Teile einer Reform, die einseitig auf Abschottung, Inhaftierung und Entrechtung setzt. Gefängnisähnliche Lager an den EU-Aussengrenzen, Ausschaffungen in unsichere Drittstaaten und massenhafte Datenerfassung – all das wird nun mit Schweizer Zustimmung Realität.

Mit dem heutigen Entscheid übernimmt die Schweiz fast ausschliesslich repressive Elemente des Pakts. Schon jetzt profitiert sie wie kein anderes Land von diesem System, das Geflüchtete entrechtet und ihre Würde missachtet. Künftig kann sie Geflüchtete wieder bzw. noch leichter nach Italien, Kroatien oder Griechenland ausschaffen, während andere bis zu drei Jahre auf eine Prüfung ihres Asylgesuchs in der Schweiz warten müssen.

Trotz dieser massiven Angriffe auf die Rechte geflüchteter und migrierter Menschen wird das NoGEAS-Bündnis kein Referendum gegen die Übernahme ergreifen.

Ein Abstimmungskampf würde vor allem den rechten Parteien nützen und ihnen eine Bühne für ihre rassistische Hetze und ihre Abschottungsfantasien bieten. Selbst ein Sieg an der Urne würde angesichts der rechten Mehrheit im Parlament vermutlich zu noch weiteren Verschärfungen führen – mit fatalen Folgen für geflüchtete Menschen. Wir weigern uns, diese Steilvorlage zu liefern.

Diese politische Sackgasse ist das Ergebnis einer jahrelangen Vereinnahmung der Migrationsdebatte durch bürgerliche und rechtsextreme Kräfte. Deren Instrumentalisierung von Migration als angebliche Bedrohung hat einen Wettlauf der Repression und Gewalt ausgelöst. Dabei ist Migration in einer globalisierten Welt schlicht Realität. Nur durch gleiche Rechte – darunter das Recht auf Bewegungsfreiheit – können Antworten für die aktuellen globalen Herausforderungen gefunden werden.

Wir werden die Umsetzung des Asylpakts in der Schweiz genau verfolgen und öffentlich dokumentieren. Insbesondere fordern wir, dass die Schweiz ihr Recht auf Dublin-Selbsteintritte konsequent nutzt – etwa für unbegleitete minderjährige Asylsuchende, kranke Menschen und Familien mit Kindern. Diese minimalen Schutzstandards dürfen keinesfalls preisgegeben werden.

Wir rufen Medien und Öffentlichkeit dazu auf, die Umsetzung des Asylpakts kritisch zu begleiten und die Stimmen der Betroffenen hörbar zu machen. Mehr denn je braucht es politische Organisation, solidarische Unterstützung und zivilen Ungehorsam, um sich der laufenden Entrechtung von Geflüchteten entgegenzustellen. Für Analysen, Einschätzungen und Interviews stehen wir jederzeit zur Verfügung.

Das NoGEAS-Bündnis

Bewegung für den Sozialismus, Bewegungsfreiheit für alle, Coordination asile.ge, CSP Genève, Demokratische Jurist*innen Schweiz, Droit de Rester Fribourg, Droit de Rester Neuchâtel, elisa-asile, Freiplatzaktion Basel, Freiplatzaktion Zürich, Marche mondiale des femmes Suisse, Migrant Solidarity Network, Pikett Asyl, Solidarité sans frontières, Solidarité Tattes, SolidaritéS Neuchâtel, Solidaritätsnetz Bern, Solinetz Luzern, Solinetz Zürich, Seebrücke Schweiz.

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Argumente

■ Der Abschottungspakt kommt einer Abschaffung des Rechts auf Asyl in der EU gleich: Geflüchtete Menschen werden pauschal nach Herkunft sortiert und in Lagern an den Aussengrenzen festgehalten. Die beschleunigten Grenzverfahren finden ohne Rechtsvertretung statt. Und wer über vermeintlich sichere Drittstaaten einreist, wird von vorhinein vom Asylverfahren ausgeschlossen. Dies alles untergräbt die individuelle Prüfung von Fluchtgründen, den Kern des Asylrechts.

■ Gewalt, Elend und Tod sind an den Aussengrenzen Europas Alltag geworden. Seit 1993 sind über 60’000 Menschen beim Versuch nach Europa zu gelangen ums Leben gekommen. Gleichzeitig werden Zäune und Mauern immer länger, höher und massiver. Der Abschottungspakt treibt den Ausbau der Festung Europa weiter voran.

Auch innerhalb des Schengenraums – und damit auch innerhalb der Schweiz – wird der Abschottungspakt zu einschneidenden Verschärfungen führen. Neu sollen auch unbegleitete minderjährige Asylsuchende z.B. nach Kroatien ausgeschafft werden. Der massive Ausbau der biometrischen europäischen Datenbank EURODAC wird das Risiko für Racial Profiling erhöhen. Und durch die Verlängerung der Dublin-Fristen werden die wenigen Widerstandsmöglichkeiten, die flüchtende Menschen im Moment noch anwenden können, um einer Dublin-Ausschaffung zu entgehen, nahezu unmöglich.

■ Die Schweiz profitiert stark von der gewaltvollen europäischen Migrationsabwehr, denn sie ist als Heimathafen für Rohstofffirmen, internationaler Bankenplatz und Waffenfabrik eine wichtige Profiteurin im kapitalistischen Weltsystem und ist damit Mitverursacherin vieler Fluchtursachen.​​​​​​​

■ Die Verabschiedung des Abschottungspaktes ist ein Kniefall vor rechten Kräften​​​​​​​ in Europa. Aus Angst vor ihrem wachsenden Einfluss haben konservative, liberale und sozialdemokratische Parteien die Reform besonders hart und abschreckend gestaltet – in vorauseilendem Gehorsam. Doch das Gegenteil passiert: Wer die Abschottungsideen der Rechten übernimmt, macht sie nicht schwächer, sondern stärker. Vielmehr legitimiert man sie dadurch und normalisiert rassistische Denkweisen.

■ Anstatt einem Ausbau des europäischen Abschottungssystems braucht es legale und sichere Flucht- und Migrationswege. Wir fordern ein Neudenken und eine neue Praxis im Umgang mit Migration: Migration ist keine Bedrohung, sondern eine Bereicherung.